Salafismus

Der heutige Salafismus entstand vor etwa 100 Jahren als neue Denkrichtung des sunnitischen Islam. In Deutschland hat die Zahl der Salafisten in den letzten Jahren schnell zugenommen. Salafisten suchen mit Aktionen wie der Koranverteilung „Lies“ oder der „Scharia-Polizei“ Aufmerksamkeit. Deutsche, die den „Islamischen Staat“ unterstützen, haben zumeist Kontakt zu salafistischen Gemeinden. Seit dem „Arabischen Frühling“ gewinnen Salafisten auch in Staaten des Mittleren Ostens mehr Einfluss.

Entstehung des modernen Salafismus

Salafistische Bewegungen hat es häufiger in der Geschichte des Islams gegeben. Ein Beispiel ist der Gründer der Wahhabiyya, Muhammad ibn Abdalwahhab (gest. 1792). Für ihn galt die Idee einer muslimischen Urgemeinde des 7. Jahrhunderts als Vorbild für die Erneuerung des Islams. Vieles, was anschließend Muslime entwickelten, so etwa die Lehren der Rechtsschulen oder Heiligenverehrung, hielt er für Verfälschung (bid‘a) des Islams. Ein weiteres Merkmal ist die scharfe Trennung zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Nur wer die wahhabitische Lehre annimmt, gilt als Gläubiger.

Die Wahhabiya ist heute Staatsreligion in Saudia-Arabien. Saudi-Arabien fördert weltweit salafistische Strömungen. Ein wichtiger Vordenker des heutigen Salafismus ist auch der albanisch-syrische Gelehrte Nasir ad-Din al-Albani (gest. 1999). Für politische und dschihadistische Salafisten sind Muslimbrüder, wie Muhammad ibn Surur (gest. 2016) und Sayid Qutb (gest. 1966) richtungsweisend. [1]

Gemeinsame Ziele der Salafisten

Salafisten versuchen, den Glauben der frühen Muslime zur Zeit des Propheten Muhammads wiederzubeleben. Dazu rekonstruieren sie Vorstellungen vom Leben der Urgemeinden in Mekka und Medina im 7. und 8. Jahrhunderts. Als Vorbilder dienen ihnen Berichte über das Leben des Propheten Muhammad und der „frommen Altvorderen“ (as-Salaf as-Salih). Diese sind für sie Ideale eines angeblich „wahren“ oder „authentischen“ Islam.

Salafisten konstruieren ihre neue Lehre aus einem eng begrenzten Umfang von Texten. Dazu gehören der Koran und Teile der Sunna. Sie akzeptieren nur wenige Schriften von muslimischen Gelehrten aus den nachfolgenden Jahrhunderten. Autoritäten sind für sie z.B. Ibn Taymiya (gest. 1328) und seine Schüler, die auch wichtige Autoritäten der Wahhabiten sind.

Die Lehren der sunnitischen Rechtsschulen und islamischen Wissenschaften lehnen sie überwiegend als Neuerung (bid‘a) ab. Salafisten gründen somit eine eigene neue Rechtsschule, die „Schule des Propheten“ (madhhab al-rasul) oder „Schule der Altvorderen“ (madhhab as-salaf).

Salafisten unterscheiden radikal zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Wer anders denkt, wird des Unglaubens beschuldigt (takfir). Das gilt nicht nur gegenüber anderen Weltreligionen. Davon sind auch die Mehrheit der Muslime oder islamistische Gruppen, wie die Muslimbrüder, betroffen. Schiiten und Sufismus werden von ihnen vollständig abgelehnt. Salafismus ist in allen Themen durch ein radikales Schwarz-Weiß-Denken gekennzeichnet.

Salafisten versuchen, das Leben des 7. Jahrhunderts zu imitieren. Dazu gehören z.B.: Kinnbärte mit getrimmtem Oberlippenbart, knöchellange Gewänder, das Zahnputzstöckchen (miswaq) und Speisevorschriften.

Ihre alltägliche Verhaltensweise ist durch die Idee „Loyalität und Abgrenzung“ geprägt (al-wala‘ wa-l bara‘). So halten sie sich von allem fern, was für sie als unrein gilt, und unterstützen, was sie für richtig halten. Das geht so weit, dass sich Salafisten in der Regel selbst von ihrer Familie und ihrem Freundeskreis trennen und nur noch Kontakt untereinander halten.

Zumeist akzeptieren sie nur das, was es nach ihrer Meinung auch während der frühislamischen Zeit gegeben hat. Sie entwerfen daher ein eigenes Regelwerk aus Erlaubtem (halal) und Verbotenem (haram). Trotzdem nutzen sie auch moderne Technik für die Verwirklichung ihrer Ziele.

Politisch aktive Salafisten streben nach einem islamischen Staat, der alle Menschen in einer muslimischen Gemeinschaft (umma) eint. Dort soll die Sharia in ihrem Sinne ausgelegt und durchgesetzt werden. Die Sharia gilt für sie quasi als Verfassung und einziges, angeblich allumfassendes Gesetzeswerk. Ihr absolutes Feindbild ist der „Westen“: Moderne Prinzipien und Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Religionsfreiheit oder ein liberales Wissenschafts- und Kulturleben lehnen sie radikal ab. [2]

Quietisten, politische und dschihadistische Salafisten

Einigkeit herrscht unter salafistische Gruppen nicht. Sie unterscheiden sich in ihren Glaubensgrundsätzen (Aqida), ihrer Glaubenspraxis (manhaj) und ihren Zielen. Ihr Streit führt sogar so weit, so dass sie sich gegenseitig als Ungläubige (kufr) bezeichnen und bekämpfen. Salafistische Gruppen kann man einteilen in: Quietisten, politische und dschihadistische Salafisten.

Quietisten legen ihre Schwerpunkte auf die Erziehung und die friedliche Mission (dawa). Viele halten sich von Politik fern und lehnen Gewalt ab. Zu politischen Themen nehmen sie in der Regel nicht öffentlich Stellung. Einige äußern sie jedoch in vorsichtigen Ratschlägen an die Regierenden. Viele verhalten sich loyal gegenüber den Regierenden, beispielsweise in Saudi-Arabien, wo sie auch aktiv das Herrscherhaus Ibn Saud unterstützen.

Politische Salafisten versuchen, mit politischen Mitteln einen islamischen Staat herbeizuführen. Auch unter ihnen gibt es ebenfalls unterschiedliche Gruppen. Die Zahl der Salafisten, die in Parteien mitarbeiten, ist mit dem Arabischen Frühling stark gestiegen. In Ägypten haben sie sogar eigene Parteien gegründet. In Saudi-Arabien gehören politische Salafisten als sahwa-(Erweckungs-) Bewegung zur Opposition, die im Untergrund gegen das Herrscherhaus Ibn Saud arbeitet.

Dschihadistische Salafisten nutzen Gewalt und Terror. Sie betonen den bewaffneten Dschihad auch gegen Muslime, die sie zu Ungläubigen erklären (takfir). Auf drei Ebenen wenden sie den Dschihad an: Als Verteidigung des Islams im klassischen Sinne, wie z.B. in Afghanistan. Als revolutionären Dschihad wenn sie muslimische Regierungen zu Ungläubigen (siehe: kufar, takfir) erklären und diese stürzen wollen. Schließlich definieren sie einen globalen Dschihad, um die USA und ihre Verbündeten anzugreifen. Den zuvor genannten salafistischen Gruppierungen gehen diese Dschihad-Deutungen häufig zu weit. Sie nennen Dschihadisten daher Takfiriyun. [3]

Quellen:

[1] Steinberg, swp 78, Mai 2012.
[2] Steinberg, swp 78, Mai 2012. Dziri, in: Said, Fouad: Salafismus, bpb Bd. 1454, 2014, S. 132ff.
[3] Wagenmakers, in: Salafismus. Said, Fouad (Hg.), bpb Bd. 1454, 2014, S. 55ff. Steinberg, swp 78, Mai 2012.

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