Ismailiten

Die Ismailiten werden auch als Siebenerschia bezeichnet und bilden mit etwa 20 Millionen Gläubigen die zweitgrößte schiitische Strömung nach der Zwölferschia. Heute existieren noch drei unterschiedliche Strömungen der Ismailiten: Die weitaus größte Gemeinde bilden die Nizariten. Weitaus kleiner und wesentlich weniger einflussreich sind zwei weitere Zweige der Ismailiten, die Mu’miniten und Tayyibiten. Sie folgen jeweils unterschiedlichen Führungspersönlichkeiten. In den religiösen Lehren unterscheiden sich die drei Zweige der heutigen Ismailiten jedoch kaum. Große ismailitische Gemeinden findet man in Indien und Pakistan, entlang der Swahili-Küste Ostafrikas, in Afghanistan, Tadschikistan, Syrien, Jemen, Iran, Oman, Bahrain und in der östlichen Türkei. Besonders einflussreich sind wohlhabende kleine Emigranten-Gemeinden, wie z.B. in London oder in Kanada. Ismailiten bezeichnen sich selbst als „Leute der Wahrheit“ (arab.: ahl al-haqq).

Entstehung der Ismailiten

Erste Gemeinden der Ismailiten entstanden im 8. Jahrhundert durch die Frage, wer nach dem Tode des fünften Imams Dschafar as-Sadiq (gest. 732 oder 736) die schiitische Gemeinschaft der Imamiten weiterführen sollten. Zwei Lehrmeinungen standen in Konkurrenz zueinander: Sollte die Gemeinde durch eine aktuell lebende Persönlichkeit geleitet werden oder endet die Kette der Imame mit einem Imam, der „entrückt“ ist. Während die sogenannte Zwölferschia ihre Kette bis zum zwölften Imam weiter fortführte, entschieden sich die Ismailiten ihre Kette mit dem siebten Imam Muhammad ibn Isma’il (vor 809 „entrückt“), einem Enkel von Imam Dschafar as-Sadiq zu beenden.

Entwicklung der Ismailiten

Während ismailitische Gemeinden in den ersten zwei Jahrhunderten wenig in der Geschichte hervortraten, entwickelte sich in Nordafrika Ende des 9. Jahrhunderts eine so starke Bewegung, dass sie sich auch militärisch durchsetzen konnte. Ismailiten gründeten schließlich das fatimidische Kalifat von Kairo, das von 910-1171 in Konkurrenz zum abbasidischen Kalifat von Bagdad weite Teile Ägyptens und Nordafrikas kontrollierte. Viele muslimische Historiker sprechen daher auch in Bezug auf das 11. Jh. vom „fatimidischen Jahrhundert“.

Im 11. Jh. spaltete erneut die Frage um die rechtmäßige Nachfolge die Ismailiten in verschiedene Zweige. In ihren Lehrmeinungen unterscheiden sich die jeweiligen Zweige nur unwesentlich. Die Vertreter der jeweiligen Zweige beanspruchten jedoch jeder für sich, das Wesentliche der ismailitischen Lehre zu vertreten. Ihr markantester Unterschied ist daher die jeweilige anerkannte Führung der Gemeinde.

Von den Ismailiten haben sich auch die Drusen abgespalten. Ihre Glaubenslehre unterscheidet sich heute jedoch stark von den Lehren der Ismailiten.

Die Geheimlehre der Ismailiten

Lange Zeit war wenig über die Lehre der Ismailiten bekannt, da sie ihre Lehren und Schriften nur in eingeweihten Kreisen weitergaben. Sie gehen von sechs unterschiedlichen Religionen aus, die der Menschheit durch Sprechern offenbart wurden: Adam, Noah, Abraham, Moses, Jesus und schließlich Muhammad, der die letztendliche Gesetzesreligion den Menschen übermittelte. Dem Islam sollten daher alle Menschen folgen. Die übermittelten Religionen, Riten und ihre Texte werden von Ismailiten jedoch nur als äußere Hülle verstanden. Ihren wahren, inneren Sinn kann der Mensch allein nicht erschließen. Er braucht Gottes Hilfe. So wird der Koran als zentrales Buch der Ismailiten auch nicht im wortwörtlichen Sinn gelesen, sondern als ein verschlüsselter Text betrachtet, dessen eigentliche Botschaft und innere Sinn erst durch Eingeweihte, „Leute des Geheimen“ (arab.: ahl al-batin) entschlüsselt und vermittelt werden muss.

So sind jedem Propheten, der die äußere Form vermittelte ein Eingeweihter von Gott zur Seite gestellt worden, der die innewohnende Botschaft deuten konnte: Adam wurde sein Sohn Seth (oder Abel) zugewiesen, Noah sein Sohn Sem, Abraham – Ismael, Moses – Aaron, Jesus – Petrus und Muhammad sein Schwiegersohn Ali. Die Eingeweihten verfügen über das Wissen (arab.: ilm), die notwendige Weisheit (arab.: hikam) und den Segen (arab.: baraka), um der Gemeinde die eigentliche Botschaft weiterzugeben.

Die Ismaeliten vertreten die Lehre, dass es sieben Säulen des Islams gibt:

  • Glaube (arab.: iman) an den wahren Imam Sie unterscheiden zwischen denjenigen, die den wahren Imam erkennen (arab.: mu’min) und damit die wahren Gläubigen sind und denjenigen, die nur die Offenbarung anerkennen (arab.: muslim)
  • Reinheit im Sinne der praktischen religiösen Ausübung (arab.: tahara)
  • das rituelle Gebet (arab.: salat)
  • die Almosensteuer (arab.: zakat)
  • das Fasten (arab.: saum)
  • die Pilgerfahrt nach Mekka (arab.: hadschdsch)
  • der Einsatz für den Islam, bzw. Dschihad (arab.: dschihad)
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