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Video: Dürfen Muslime Musik hören?
Der Prophet hört Musik und Gesang
Im Koran ist keine Stelle zu finden, in der das Singen, Tanzen, Musizieren oder das Hören von Musik pauschal verboten wird. Der Prophet David wird sogar mit seinen biblischen Liedtexten, dem Psalter (Psalmen) und mit seinen musikalischen Gaben gepriesen:
„Einige der Propheten haben wir vor den anderen (durch besondere Gnadenerweise) ausgezeichnet. Und dem David haben wir einen Psalter gegeben.“ (Sure 17:55)
Der Prophet Muhammad hat nach zahlreichen Traditionen (hadith/ Pl. ahadith) der Sunna häufig Musik und Gesang zugehört, sich darüber gefreut oder andere daran gehindert, dies zu verbieten. Man findet sie z. B. bei al-Bukhari (gest. 870), Muslim (gest. um 875) und Ibn Abbas (gest. um 688). [1]
So fragt der Prophet Muhammad, laut Ibn Abbas, Aischa aus Anlass einer Heirat, ob sie Sänger mitgeschickt hat. Als sie dieses verneint, tadelt der Prophet sie:
„Die Ansar sind Leute, die Gedichte mögen. Du hättest jemanden mitschicken sollen, der singt: Hier kommen wir, wir kommen zu euch, grüßt uns, wie wir euch grüßen.“ [2]
Musik hören, Singen und Tanzen sind demnach besonders bei festlichen Anlässen, wie dem Opferfest (Id al-Adha), Hochzeiten, Geburt und der Rückkehr von Reisenden sogar ausdrücklich erlaubt.
Musik hören zwischen Haram und Halal
Trotzdem ist eine lang anhaltende Debatte zwischen islamischen Theologen (alim, Pl. ulama) entstanden. An ihr beteiligen sich Sunniten und Schiiten, ja selbst islamische Mystiker (Sufis). Anlass dazu geben einige kritische Traditionen über die frivole vor- und frühislamische Musikkultur:
„Gewiss, Allah hatte Sängerinnen (qaina, Pl. qina) als sündig verurteilt, ebenso ihren Verkauf, ihren Preis und ihren Unterricht.“ [3]
Mit diesen Sängerinnen werden Alkoholgenuss, Unzucht, Ekstase und Lieder verbunden, deren Aussagen moralisch anstößig seien. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich persönlichen Erfahrungen der Theologen mit der Musikkultur ihrer Zeit auf ihre Urteile ausgewirkt haben. Einige Theologen stellen daher Bedingungen für ein erlaubtes Hören von Musik, andere sprechen dagegen ein pauschales Verbot von Gesang, Musik und Musikinstrumenten aus.
Über eine Kunst sind sich jedoch die streitenden Lager einig: Der reine Gesang mit einer schönen Stimme gilt als nahezu unumstritten. Daraus hat sich in der religiösen islamischen Musik eine starke Betonung des Sprechgesangs (nashid) entwickelt.
Grundsätzlich können zwei Positionen unterschieden werden: Ablehnung und ein „bewusstes Ja“.
Totale Ablehnung von Musik: Wahhabiten und Salafisten
Fundamentalisten, wie Wahhabiten und Salafisten, sind am radikalsten in ihrem Urteil über Musik. Nur der Nashid ist gestattet, bei anderer Musik gilt für sie der Teufel als Urheber. Häufig argumentieren sie mit Traditionen, in denen Musik nicht direkt erwähnt wird:
„Und unter den Menschen gibt es auch (manch) einen, der (gegen ernste Gespräche über Glaubensfragen) leichte Unterhaltung einhandelt (w. kauft), um in (seinem) Unverstand (seine Mitmenschen) vom Weg Gottes abirren zu lassen und seinen Spott damit (d.h. mit dem Weg Gottes, oder mit den Koranversen?) zu treiben. Solche Leute haben eine erniedrigende Strafe zu erwarten.“ (Sure 31:6)
Hinsichtlich dieser Sure urteilt z.B. der wahhabitische Gelehrte Ibn Baz (gest. 1999):
„Der Gesang ist laut der Mehrheit der Leute des Wissens, verboten. Wenn der Gesang, von Musik wie z.B. von der Laute (oud) oder einem anderen Instrument begleitet wird, ist es haram und darüber gibt es Konsens (idjma).“
Für wen es Konsens (idjma) ist und für wen nicht und wer die „Mehrheit der Leute…“ sind, das lässt Ibn Baz offen.
Bewusstes Hören von Musik: al-Ghazali
Gegen die lange Tradition, Musik und Gesang pauschal zu verbieten, argumentiert al-Ghazali (gest. 1111) in differenzierender Sichtweise. Für ihn sind die innere Einstellung, die Absicht, der Inhalt und die Situation wichtige Kriterien für das Hören von Musik. Er erlaubt ausdrücklich Musik, wenn sie in einem Kontext ohne Laster und Unzucht gespielt wird und besonders dann, wenn sie als Mittel der Meditation und zur Heilung dient. Ausführlich widmet er den Gegnern von Musik und Gesang ein eigenes Kapitel in seinem Werk „Ihya ulum ad-din“ [4]
Hören Muslime heute Musik?
Ja. Seit der islamischen Frühzeit gestalten Muslime eine reiche lebendige Musikkultur in einer Vielfalt, die in der islamischen Welt von Indonesien über Indien bis Nordafrika und Zentralasien reicht. Ihre Ideen haben wesentlich die Entwicklung der Musik in Europa und vieler moderner Instrumente, wie der Gitarre oder der Trompete, beeinflusst. In fast allen Staaten der islamischen Welt finden Festivals oder Musikaufführungen statt. Selbst im restriktiven wahhabitischen Saudi-Arabien besuchen Millionen das jährlich stattfindende al-Jenadriyah Festival.
Auch in islamischen Staaten wie der Türkei, im Libanon oder in Ägypten wird die Musik gefördert und an Konservatorien unterrichtet. In Omans Hauptstadt Maskat spielt in einem neuen modernen Opernhaus das königliche omanische Symphonieorchester. Abu Dhabi plant ein großes internationales Kultur- und Musikzentrum. Muslimische Musiker, wie das palästinensische Trio Joubran oder Rabi Abou Khalil, füllen über die islamische Welt hinaus große Konzertsäle.
Quellen
[1] Sahih Muslim 892a, Book 8, Hadith 16, USC-MSA web: Book 4, Hadith 1938. Sahih al-Bukhari 952, Book 13, Hadith 4, USC-MSA web reference: Vol. 2, Book 15, Hadith 72
[2] Sunan Ibn Majah: Vol. 3, Book 9, Hadith 1900
[3] al-Ghazali: Ihya Ulumiddin, 1961, p. 244-5. Anspielung auf Jami‘ at-Tirmidhi: Vol. 5, Book 44, Hadith 3195
[4] Buch 18: Über Musik und Gesang: Quelle: Daniel, Elton L.: The Alchemy of Happiness, Armonk 1991