Kharidschiten
weitere Schreibweisen: Charidschiten, Kharidjiten, Kharijiten; Arab. (al-Kharidschiya): die Ausziehenden
Mit Kharidschiten bezeichnet man eine Oppositionsbewegung, die während des Kalifats des vierten rechtgeleiteten Kalifen Alib ibn Abu Talib entstand.
Die Bezeichnung Kharidschiten für diese Oppositionsbewegung ist eine Fremdbezeichnung, die sich aber allgemein über die Jahrhunderte durchgesetzt hat. Die frühen Kharidschiten nannten sich selbst zumeist Schurat (Arab. „selbstverkaufende“). Nach ihrem ersten Lager bei Kufa wurden sie auch Haruriya genannt.
Entstehung der frühen Kharidschiten
Während der Schlacht von Siffin (657), standen sich die Heere des amtierenden Kalifen Ali ibn Abu Talib und des Gouverneurs von Damaskus, dem späteren ersten Kalifen der Umayyadendynastie, Mu’awiya (603-680) gegenüber. Als Ali auf ein Angebot von Mu’awiya einging, dass ein Schiedsgericht eingesetzt werden soll, um über die strittige Nachfolge im Amt des Kalifats zu entscheiden, verweigerte diese Gruppe Ali die weitere Gefolgschaft. Sie waren der Überzeugung, dass in dieser Frage nur ein Gottesurteil durch den Ausgang der Schlacht, diesen Konflikt eindeutig entschieden könne. Sie zogen mit dem Ausruf aus: „Die Entscheidung steht allein Gott zu!“ (Arab. la hukma ill li-Llah) Dieses Gruppe wurden damals auch entsprechend ihrer Parole al-Muhakkima („die ein Gottesurteil fordern“) genannt und ließ sich in der Nähe von Kufa beim Ort Harura nieder.
Offenbar waren die historischen Ereignisse noch komplexer, als vielfach dargestellt, denn im Frühjahr 658 ereignete sich ein weiterer Auszug aus dem Lager Ali’s, da dieser weiterhin an einem Schiedsgericht festhielt. Diese Bewegung ließ sich am Kanal von Nahrawan nieder. Erst diese Gruppe von etwa 3-4.000 Männern wird in den arabischen Quellen als Kharidschiten bezeichnet.
Unter dieser Bewegung entwickelte sich ein Fanatismus, der zu extremen Überzeugungen führte. So hielten ihre Anhänger die Entscheidung Alis für eine Sünde und einen Akt des Unglaubens. Der verstorbene Kalif Uthman und der amtierende Kalif Ali wurden von ihnen sogar als Ungläubige bezeichnet. Für sie waren schließlich die Ermordung von Uthman, sowie weiterer Prophetengefährten und Anhänger von Mu’awiya legitim. Es folgten daher auch zahlreiche Anschläge gegen die Anhänger anderer Überzeugungen.
Der Kalif Ali griff schließlich ihr Lager bei Nahrawan an und ließ einen Großteil der dort lebenden Kharidschiten niedermetzeln. Aus Rache für das Massaker von an-Nahrawan wurde schließlich Ali selbst von einem Kharidschiten ermordet.
Unter den Kalifen der Umayyaden wurden die Kharidschiten erbittert verfolgt. Ihre Bewegung spaltete sich in gemäßigte und extreme Gruppierungen, die nach und nach aus ihren Zentren im Süden des Iraks in abseits gelegene Randgebiete des damaligen Reiches der Umayyaden vertrieben wurden. Eine besonders extreme Gruppe, die nach ihrem Anführer Azraqiten benannt wurde, zog mordend und plündernd durch Khusistan, einem Gebiet in der heutigen persischen Provinz Khuzestan. Für sie galten nur diejenigen als Muslime, die sich ihrer Überzeugung anschlossen und sie unterstützten. Einer weiteren Gruppe, die sogenannten Nadschdas, eroberten ein weitreichendes Gebiet, dass die heutigen Regionen Bahrain, Oman und Teile des Jemen erfasste. Das Reich der Nadschdas bestand bis 693.
Kharidschiten im Überblick
- Mit Kharidschiten wird eine wichtige Oppositionsbewegung gegen den Kalifen Ali bezeichnet
- Sie galten als Fanatiker und verübten Attentate gegen ihre Gegner und Andersdenkende.
- Ihre Bewegung spaltete sich schließlich in zahlreiche extreme aber auch gemäßigte Zweige.
- Verfolgt von den Umayyden-Kalifen, suchten sie Zuflucht in den entlegenen Teilen des Reiches.