Dschinn: Glaubensgrundlage, Besessenheit und Aberglaube

Dschinni (pl.) (arab. Djinn; türkisch Cin) sind nach islamischer Vorstellung übersinnliche (Geist)-Wesen und gehören genauso wie Menschen, Engel und Satane zur Schöpfung Gottes. Auch wenn der Koran es nicht erwähnt, glauben viele Muslim*innen daran, dass Dschinn Menschen besetzen und diese verrückt machen können.

Der Begriff Dschinn

Ob als Film, in alten Märchen und Sagen oder als fester theologischer Bestandteil: Fast allen dürfte der Begriff „Dschinn“ oder „Dschinni“ bereits über den Weg gelaufen sein. Doch neben aus Filmen und der Literatur bekannten Flaschengeistern und Wunscherfüllern, steckt wie so oft viel mehr hinter dem Wort. Eines sei vorab verraten: Entgegen dem was man vielleicht schon gehört hat, handelt es sich bei ihnen weder um Engel oder Dämonen, sondern um Wesen die islamisch gesehen wichtig sind.

Der Koran gibt genaue Angaben darüber, wer und was Dschinn sind und in welchem Verhältnis sie zu den Menschen stehen. In Sure 51 (die Zerstreuenden) findet man in den Versen 14 und 56 die Aussagen, dass sie aus rauchlosem Feuer erschaffen wurden, um Gott allein zu dienen – ein Gegensatz zu den anderen Weltenbewohner*innen, uns Menschen. Diese und die Engel sind nach der islamischen Schöpfungsgeschichte im Gegensatz zu den Dschinn aus Lehm erschaffen worden, ein Detail was dahingehend interessant ist, als dass die Dschinn laut Koran (Sure „Die Kuh“, Vers 30) zuerst die Erde bevölkerten und somit auch vor den Menschen erschaffen wurden.

Bereits in der vorislamischen Zeit spielte der Glaube an Dschinn eine wichtige Rolle im religiösen Geflecht der arabischen Halbinsel. Vergleichbar mit Nymphen und Satyrn der griechischen Mythologie vermutete man sie an den Orten in der Wüste, die besonders lebensfeindlich waren und vom Menschen nicht dauerhaft bewohnt werden konnten. In der Lebenszeit des Propheten Muhammad gab es zusätzlich den Glauben, dass Dschinn Gottheiten von niederem Rang als Allah sind, weshalb diese von arabischen Polytheisten angebetet und ihnen Opfer dargebracht wurden.

Dschinn: Dem Auge verborgen – dem Recht sichtbar

Dass Dschinn als unsichtbare Wesen gelten, half und hilft dabei, dass Mythen und Legenden um sie bis heute entstehen und Geschichten um sie eine gängige Praxis im „Volksglauben“ vieler Regionen der Welt sind. Allgemein wird ihnen die Fähigkeit zugesprochen – ebenso wie Menschen – gut und böse sein zu können. Eine vorherrschende Meinung ist, dass Dschinn zwar um die Menschen herum existieren, ihnen jedoch nichts Negatives antun können oder überhaupt wollen. Unter den Dschinn soll es gleichzeitig diejenigen geben, die Gott anbeten und welche, die es nicht tun. Es heißt in der 114. Sure des Koran (Die Menschen) im Vers 6: „[…] von den Ǧinn und den Menschen“ – Es geht um den einzigen wahren Zufluchtsort für Gläubige, nämlich Gott, der vor dem „Einflüsterer“ (gemeint ist der Teufel) sowohl die Menschen als auch die Dschinn bewahren kann

Wegen solcher Stellen im Korans haben muslimische Rechtsprecher*innen auch rechtlich das Verhältnis von Menschen und Dschinn betrachtet und kamen meist zu dem Schluss, dass zum Beispiel eine Ehe zwischen Dschinn und Menschen verboten sei. Die reine Tatsache, dass derartige Fragen jedoch fast seit Beginn der islamischen Zeitrechnung erörtert werden, zeigt bereits die Wichtigkeit der Unsichtbaren für die sichtbare Welt.

Psychische Krankheit oder boshafter Dschinn?

Eine besondere Rolle nehmen Dschinn bei Leiden und Krankheiten ein, religions- und kulturübergreifend werden und wurden Geisterwesen, die in Menschen eingegangen sind beispielsweise als Ursache für eine Parese (halbseitige Lähmung) gesehen. Der muslimische Psychologe Amin Loucif schrieb 2019 auf seiner Facebookseite „Islam und Psychologie“: „Eine bekannte Missinterpretation ist zum Beispiel das Gefühl einiger Leute, wenn sie aufwachen, gelähmt zu sein, oder dass eine Person / ein Wesen / Dschinn auf ihnen liegt. Wer will, kann sich auch über die biologischen Ursachen von #Schlafatonie und #Schlafparalyse informieren.“

Er setzt sich professionell, aber verständnisvoll dafür ein, dass bei Muslim*innen in Deutschland ein gewisses Umdenken einsetzt, so dass Gefühle oder Krankheiten nicht direkt mit Dschinn assoziiert werden, sondern Psychologen oft Erklärungsmuster und heilende Praktiken parat haben. Denn Dschinn-Austreibungen – bei denen auch zum Teil Ruqya, also Bittgebete angewendet werden –, können sehr negative Folgen für behandelte Personen haben.

Manche Muslim*innen neigen eher dazu, einem informellen Dschinn-Austreiber als Ärzt*innen oder Psycholog*innen ihr Vertrauen in der Sache zu schenken.

Daher kann es nach sowohl psychologischer, als auch muslimisch-theologischer Meinung ratsam sein genau hinzusehen, wenn man denkt, dass man Dschinn verärgert hat und sie „in einen gefahren sind“ und Besitz von Körperteilen genommen haben – dafür gibt es andere Erklärungen.

Geister, Dämonen, Dschinn sind Begriffe, die ähnlich oder gleich benutzt werden. Wer genau verstehen will, welche Unterschiede auch in der Kategorisierung aus islamischer Sicht existieren, kann Bekannten oder Verwandten, die sich von Dschinn betroffen fühlen, vor allem helfen, indem man sich mit der Thematik genauestens beschäftigt.

Dschinn aus theologischer Perspektive: Interview mit Dr. Mohammad Gharaibeh

Wenn euch das Thema interessiert oder beschäftigt, könnt ihr euch auch das Video-Interview mit Dr. Mohammad Gharaibeh ansehen. Er lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin Islamische Theologie und setzte sich für Islam-ist mit der Frage auseinander, welche Rolle Dschinn in der Theologie, aber auch im Alltag von Muslim*innen spielen.

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