Ridda-Kämpfe

Arab. Ridda: „Abfall vom Glauben, Apostasie“

Als Ridda- Kämpfe bezeichnet man eine Serie von Feldzügen, die unmittelbar nach dem Tode des Propheten Muhammad (gest. 632) unter der Regentschaft des ersten Kalifen Abu Bakr (reg. 632-34) stattfanden. Diese Phase war die erste schwere Existenzkrise des jungen Reiches gewesen, das der Prophet Muhammad gegründet hatte. Der Sieg des Kalifen Abu Bakr in den Ridda-Kämpfen führte zu einer umfassenden Islamisierung der Bevölkerung der Arabischen Halbinsel . Sie setzte schließlich die Kräfte frei, die zur islamischen Expansion im 7. und 8. Jahrhundert führten.

Gründe für den Ausbruch der Ridda-Kämpfe

Der Prophet Muhammad schuf auf der Arabischen Halbinsel einen einzigartigen Herrschaftsbereich. Er führte fast alle arabischen Stämme der Region zu einer Konföderation zusammenführte. Kurz vor dem Tode des Propheten kontrollierte diese Konföderation die wichtigsten Karawanenrouten der Arabischen Halbinsel über Mekka und Medina bis ins syrische Grenzland. Zu ihrem Einflussgebiet gehörten auch Jemen, Hadramaut, Oman und die arabische Golfküste.

Diese Konföderation setzte sich aus sehr verschiedenartigen Bündnissvereinbarungen zusammen: Dazu gehörte die islamische Kerngemeinde der Umma von Medina. Sie bestand aus den frühen mekkanischen Gefolgsleuten und den Gläubigen von Medina (arab. ansar). Hinzu kamen einige Stämme aus der Umgebung von Mekka und Medina. Darüber hinaus schloss der Prophet auch teils sehr unverbindliche, unterschiedliche Bündnisabkommen mit den restlichen Stämmen auf der Arabischen Halbinsel.

Mit dem Tode des Propheten drohte diese große Konföderation auseinanderzubrechen. Viele sahen sich nur gegenüber der Person des Propheten verpflichtet. Dies entsprach dem damals üblichen Bündnisverständnis der Stammesgesellschaft auf der Arabischen Halbinsel. Mit dem Tode des Propheten sahen sie auch das Ende ihres Vertrages gekommen. Sie verweigerten die Zahlung der vereinbarten Abgaben. Das der Prophet eine neue Qualität von Bündnis geschaffen hatte, die sich auf ein Bekenntnis zu Gott und die Religion des Islam bezog, statt auf eine mächtige Persönlichkeit, war vielen nicht bewusst.

Weitere Gründe für die Aufkündigungen des Bündnisses mit der medinensischen Konföderation lagen in dem allgemeinen Machtzuwachs des Stammes des Propheten, der Quraisch. Die vielen lokalen Machtkämpfe der jeweiligen Stammesführer spielten ebenfalls eine wichtige Rolle. Und schließlich traten unter einigen Stämmen ebenfalls Propheten hervor, darunter sogar eine Prophetin, die ähnlich wie der Prophet Muhammad, im Namen Gottes eine Religion verkündeten. Die Aufständischen hielten sich daher selbst sehr wahrscheinlich nicht für Menschen, die von einem Glauben abfielen. Aus Sicht der Muslime galten sie jedoch als Apostaten. Mit dem Vorwurf des Glaubensabfalls zogen sie daher auch in den Kampf.

Verlauf und Ergebnis der Ridda-Kämpfe

Nach dem Tod des Propheten Muhammad brachen gegen Ende des Jahres 632 Kämpfe in allen wichtigen Regionen der Arabischen Halbinsel aus. Insgesamt elf Armeen soll der erste Kalif Abu Bakr zur Unterwerfung der Stämme ausgesandt haben, die das Bündnis gekündigt hatten. Besonders erfolgreich war dabei der berühmte Heerführer Khalid ibn Walid (gest. 642), auch „Schwert Gottes“ genannt. Die meisten Stämme blieben jedoch in der Konföderation.

Innerhalb von knappe einem Jahr waren die Aufständischen geschlagen. Der Kalif Abu Bakr bewältigte somit die erste schwere Krise des jungen islamischen Reiches. Er schuf die notwendige politische und militärische Basis für den Ausbau eines islamischen Gemeinwesens, das über die Zentren Mekka und Medina hinauswirkte. Nach dem Ende der Kämpfe begann die Islamisierung der gesamten Arabischen Halbinsel.

Während der Ridda-Kämpfe drangen muslimische Verbände auch in die Grenzgebiete der byzantinischen und sassanidischen Großreiche vor. Sie erlebten dort wenig Widerstand, was vermutlich die Pläne zu weiteren islamischen Eroberungszüge über die Arabische Halbinsel hinaus beflügelt hat. Das Ende der Ridda-Kämpfe war somit auch der Beginn der ersten Welle der islamischen Eroberungen (arab. futuh) über die Grenzen der Arabischen Halbinsel hinaus.

Leseempfehlungen:

Ulrich Haarmann. Geschichte der arabischen Welt. München 1987. S. 58ff. Gudrun Krämer. Geschichte des Islam. Bpb Bd. 493. Bonn 2005.

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