Anwerbeabkommen und Gastarbeiter*innen

2021 jährte sich das Anwerbeabkommen zwischen Westdeutschland und der Türkei zum 60. Mal. Das bedeutet, dass vor über 60 Jahren erstmals gezielt Menschen aus der Türkei zur Arbeiten in Deutschland angeworben wurden. In der Zeit benötigte die Bundesrepublik viele helfende Hände, um das sogenannte Wirtschaftswunder nach der völligen Zerstörung im selbstverschuldete Zweiten Weltkrieg zu überwinden.

Anwerbeabkommen: Der Mangel an Arbeitskräften in Westdeutschland
Das Anwerbeabkommen mit der Türkei war nicht das erste, das Westdeutschland mit einem anderen Staat getroffen hatte. Vorher schloss man 1955 ein Abkommen mit Italien, 1960 mit Griechenland und Spanien und ein Jahr später dann mit der Türkei.

Die Abkommen waren ein Versuch der Staaten, mehrere Probleme gleichzeitig zu lösen: hohe Arbeitslosigkeit und Armut im Süden Italiens oder Anatoliens z.B. sollten damit ausgeglichen werden, dass Arbeiter*innen von dort in Deutschland für einige Jahre Geld verdienen. Währenddessen hatten die finanziell ärmeren „Senderstaaten“ Zeit, um Regionen weiter zu entwickeln und dort zu investieren.

Die westdeutsche Wirtschaft benötigte viele Arbeitskräfte und der Staat half dabei, diese kostengünstig in Deutschland bereitzustellen. Die sogenannten Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen waren geboren – Menschen, die Geld in Deutschland verdienen wollten und von denen doch viele im Land blieben und so ihren ganz besonderen Dienst leisteten am Aufbau und Reichtum Deutschlands.

Weitere Anwerbeabkommen in den 1960er-Jahren

In den Jahren 1963, 1964 und 1965 kamen auch Marokko, Portugal und Tunesien mit einem Anwerbeabkommen hinzu und 1968 als letztes und als einziges sozialistisches Land Jugoslawien. Ein gerne übersehenes Detail der Verträge mit den nicht-europäischen Ländern waren die Klauseln mit Marokko und Tunesien, welche die Anzahl an Personen stark einschränkte und dass der Aufenthalt von Menschen aus der Türkei zunächst auf zwei Jahre begrenzt war. Ähnliches existierte für kein europäisches Land.

Aus allen Ländern kamen sowohl studierte als auch nichtstudierte, gelernte und ungelernte Arbeitskräfte. Schreiner, Maler, Landwirte, Schlosser oder Bauarbeiter sind nur einige der beruflichen Qualifikationen, die die Gastarbeiter*innen bereits mit nach Westdeutschland brachten. Außerdem kamen zu fast gleichen Teilen Frauen und Männer, was auch ein Grund dafür ist, dass nicht wenige Menschen der Generation von Gastarbeiter*innen sich in Deutschland kennen und lieben gelernt haben und letztlich nicht in das Ursprungsland zurückwollten.

Anwerbestopp und Krise: Viele Gastarbeiter*innen verloren Jobs

Zu Beginn war es auch Sicht vieler Menschen, die nach Deutschland gingen, um dort Geld zu verdienen, so, dass sie einige Jahre dort verbringen wollten, um Geld zu sparen und dies dann in den Ursprungsregionen oder im Heimatland als Absicherung zu haben. Das Wohlstandgefälle bedeutete nämlich, dass selbst weniger gut bezahlte Jobs in Westdeutschland noch immer viel mehr Einkommen bedeutete als in vielen Herkunftsländern für eine große Anzahl von Menschen möglich gewesen wäre.

Mit dem Anwerbestopp von 1973 und einer Wirtschaftskrise als Folge des Oktoberkrieges kamen kaum noch weitere Menschen aus Staaten mit Anwerbeabkommen, viele Gastarbeiter*innen verloren ihre Jobs und verließen die Bundesrepublik. Viele andere wiederum blieben und beteiligten sich an der Bildung des Fundaments für heutige Generationen.

In Berlin lebten Gastarbeiter*innen häufig in günstigen Wohnungen, die eigentlich hätten abgerissen werden sollen, oft auch mit sehr vielen Menschen in einzelnen Wohnungen. Grund dafür waren entweder Eigentümer, die die Situation ausnutzten und billigen Wohnraum besonders teuer vermieteten oder die Tatsache, dass viele Arbeiter*innen regelmäßig Geld in ihr Herkunftsland schickten und somit ganze Regionen der Türkei oder Portugals unterstützt wurden.

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