Hanbaliya / Hanafiten

Mit etwa 5% Anteil der sunnitischen Gläubigen bildet die Hanbaliya die kleinste der vier sunnitischen Rechstschulen (arab.: madhhab, pl. madhahib). In Saudi-Arabien, Kuwait und Katar dominiert sie das offizielle Rechtssystem (arab. fiqh). Auch Salafistinnen und Salafisten orientieren sich häufig an den Lehren der hanbalitischen Rechtsschule. Durch die starke Missionstätigkeit Saudi-Arabiens und der Golfstaaten wird die hanbalitische Rechtsschule mit wahhabitischer Prägung seit den 1950er Jahren weltweit verbreitet und hat eine größere Anhängerschaft gewonnen.

Gründung der Hanbaliya und Entwicklung

Benannt wurde die Rechtschule nach dem berühmten irakischen Gelehrten Ahmad ibn Hanbal (gest. 855). Die Rechtschule selbst entstand jedoch erst über seine Schüler, die seine Lehre weiterhin verbreiteten und weiterentwickelten. Zu den wichtigsten Vertretern der hanbalitischen Rechstschule zählen die berühmten Gelehrten: Ibn ᶜAqīl (gest. 1119), Ibn al-Dschauzī (gest. 1201), Ibn Taimiyya (gest. 1328) und dessen Schüler Ibn Qaiyim al-Dschauzīya (gest. 1350). Auch der Begründer der wahhabitischen Strömung, Muhammad ibn Abd al-Wahhab (gest. 1792) orientierte sich an der hanbalitischen Rechtschule.

Methoden und Theologie der Hanbliya

In den Methoden der hanbalitischen Rechtsschule werden der Analogieschuss (arab.: qiyās) und die eigenständige Lehrmeinung (arab.: ray) , sowie Nachahmung der Lehre (arab.: taqlīd) in der Regel strikt abgelehnt. Heutzutage sind jedoch Hanbaliten auch in der Rechtsfindung zu Kompromissen bereit und wenden methodische Prinzipien, wie „passende Anwendbarkeit / Istislah“ (Arab.: istișlāḥ) und „etwas als gut erachtend / Istihsan“ (Arab.: istiḥsān) an, wenn keine eindeutigen Antworten aus den Primärquellen erschließbar sind.

Grundsätzlich gilt jedoch weiterhin die Prämisse Ibn Hanbal‘s, dass alle Rechtsentscheidungen aus den Primärquellen des Islams Koran und Sunna zu erarbeiten, sowie aus dem Konsens (arab.: idschmᶜā) der ersten nachfolgenden Generationen der Prophetengefährten und –gefährtinnen (Arab.: as-salaf aș-șāliḥ) abzuleiten sind. Ahmad ibn Hanbal selbst war ein starker Befürworter einer wortwörtlichen Lesart und Deutung des Korans.

Ahmad Ibn Hanbal war ein scharfer Gegner der zu seinen Lebzeiten populären theologischen Strömung Muᶜtazila, die vom 9. bis zum 11. Jahrhundert bedeutsam war. Mutazilitische Gelehrte befürworteten, von der griechischen Philosophie beeinflusst, die Methode des theologischen Streitgespräches (Arab.: kalām).

Ein bedeutender Streitfall war die Frage, ob der Koran erschaffen worden oder die unerschaffene Rede Gottes sei. Verfechter der Position, dass der Koran die unerschaffene Rede Gottes sei, wie Ahmad ibn Hanbal und seine Schüler, wurden von den damals regierenden abbasidischen Kalifen al-Ma’mun (gest. 786), Mu’tasim (gest. 842) und al-Wathiq (gest. 847) verfolgt und gefoltert. Diese praktizierte Inquisition bezeichnet man in der islamischen Geschichte als Mihna (Link Glossarartikel „Mihna“ Prüfung). Ibn Hanbal’s distanzierte Haltung zur Politik, seine Beharrlichkeit und seine Unverzagtheit in seinen Überzeugungen führte dazu, dass er seitens breiterer Massen auf Unterstützung, Ruhm und Akzeptanz stieß.

Ein weiterer Streitpunkt war die hanbalitische Position, dass nur Koran, Hadith und die Überlieferungen der ersten Generationen von Prophetengefährten und –tinnen eine gültige Referenz für die islamische Lehre seien.

Innerhalb der Hanbaliya gab es starke sufische Strömungen. Zu ihren berühmtesten Vertretern zählt z.B. der Gelehrte Abd al-Qadir al-Dschilani (gest. 1166). Hanbalitische Gelehrte, wie Ibn Qaiyim al-Dschauzi (gest. 1350) und Ibn Taymiya (gest. 1328) verurteilten Sufis jedoch sehr scharf als Ketzer.

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