Sadaqa: Spenden aus islamischer Perspektive und worauf es zu achten gilt

Islamisch gesehen gibt es viele Formen der Ibādāt, das sind verschiedene Arten und Weisen, Allah anzubeten. Dazu zählen laut Imam al-Ghazzali zum Beispiel das Gebet, das rezitieren des Qurans oder der Dhikr – das stetige Gedenken an Gott in jeder Situation.

Eine weitere sehr wichtige Ibāda ist das Spenden von Almosen, was wir in vielen Sprachen ganz allgemein unter Sadaqa kennen. Muslim*innen werden immer wieder ermutigt zu spenden, egal ob für die Kasse in der Moschee, für Projekte in Ländern in denen Verwandte leben oder als Hilfe für den Bau einer neuen Moschee im Nachbarort. Das Spenden gilt als Reinigung des eigenen Vermögens und wird im Quran und den Hadithen vielfach erwähnt und betont. So heißt es in der Sure 57:18 „Gewiss, denjenigen, (…) die Almosen geben und (damit) ein gutes Darlehen geben, wird es vervielfacht werden; und für sie wird es trefflichen Lohn geben.“

Vielen Spendenaufrufe während Ramadan

Mittlerweile wissen auch sehr viele Hilfsorganisationen um das Spendenpotenzial der Muslim*innen weltweit. Sie schalten besonders viel Werbung und Spendenaufrufe nicht mehr nur zur Weihnachtszeit, sondern auch im heiligen Monat Ramadan.

Die Zeit gilt generell als eine Baraka für die Muslim*innen, in der sie durch ihr Fasten auch Werte wie Nächstenliebe, Mitgefühl und Solidarität kennenlernen sollen. Denn wer weder trinkt noch isst, kann gut verstehen, wie Menschen sich fühlen, die aufgrund von Mangel an Geld kaum Essen haben und oft nicht wissen, wann ihre nächste Mahlzeit sein wird.

Aus diesen und weiteren Gründen ist das Spenden gerade im Ramadan sehr beliebt und wichtig. Immer wieder liest man, dass die Sadaqa im Ramadan bei Gott den 70-fachen Wert hat oder das der Prophet Muhammad gerade im Ramadan ganz besonders viel gespendet hat und Wohltätigkeit somit zum festen Bestandteil des Fastenmonats machte.

Doch was geschieht, wenn Spenden nicht dort ankommen, wo die gebende Hand sie gerne hätte? Seit vielen Jahren wissen wir, dass Spendengelder veruntreut werden, Organisationen und Menschen einfach gelogen und das Geld z.B. auch an extremistische Organisationen gegeben haben. Eine solche Zweckentfremdung ist jedoch eher die Ausnahme, es gibt dennoch einige Dinge auf die beim Spenden geachtet werden sollte:

  • Kennt ihr die Leute, die die Spenden sammeln persönlich und könnt ihnen vertrauen?
  • Welche Informationen gibt es im Internet über die Organisation, die z.B. vor der Moschee Spenden sammelt?
  • Egal ob aus Angst, dass das Geld für Waffenkäufe im Krieg investiert werden könnte oder anstelle der von euch erhofften Obdachlosenhilfe zum Privateigentum eines Scamers wird – macht eure eigene Recherche und fragt Menschen die ihr kennt.
  • Bei größeren Organisationen könnt ihr schnell rausfinden, ob es in der Vergangenheit Probleme gab und dann selbst entscheiden ob das euer Spendenverhalten ändert.

Für wen ist meine Sadaqa bestimmt?

Es gibt viele Gründe und Beispiele, weshalb genauer geachtet werden soll, wer die Spenden sammelt und für wen sie wirklich bestimmt sind.

In den 90er Jahren kam es zum Beispiel zu Fällen, in denen vermeintliche Geschäftsleute vorgegeben hatten Gelder für bosnische Geflüchtete zu sammeln. Das Geld gelangte jedoch in die Hände von Kämpfern Osama bin Ladens. Auch kam in Deutschland zu den Fällen, dass in Moscheen oder auf Demonstrationen gesammelte Spenden an militante Organisationen in Gaza gegeben wurden, die vermeintlich für ein Flüchtlingslager bestimmt waren. Genauso gibt es Fälle von in deutschen Moschee gesammelten Geldern, die bei Geschäftsleuten in der Türkei auftauchten, die damit Parteien finanziert haben. Daran muss nicht zwangsläufig etwas falsch sein, so lange den Spendenden dies auch bekannt war.

Die absolute Mehrzahl der Organisationen und Initiativen informiert ehrlich über ihre Projekte und bringt eure Spende auch dorthin, wo ihr sie haben möchtet. Es hilft jedoch auch zu verstehen, dass Wohltätigkeit mittlerweile ein großer Geschäftsbereich ist. Firmen oder Privatleute schmücken sich mit ihren Spenden und sparen mit jeder Spende Steuern. Deshalb sind genaues Hinsehen genauso hilfreich wie die kritische Nachfrage.

All das ist bei weitem kein „muslimisches“ Problem, es betrifft alle möglichen Formen der Spenden, so wird geschätzt, dass im Jahr 2018 allein 500 Millionen Euro in Deutschland nicht dort ankamen, wo sie hätten ankommen sollen.

Alle, die können und möchten, sollten sich nicht davon abbringen lassen, zu spenden; das wichtige ist die Herangehensweise, damit das Geld auch wirklich da landet, wo wir es uns wünschen – bei genau den Projekten die uns am wichtigsten sind. Viele Muslim*innen hoffen auch darauf in der Nacht der Vorherbestimmung (Lailat-ul Qadr) zu beten, den Quran zu lesen oder auch zu spenden, denn wie die gleichnamige Sure in Vers 3 verspricht: „Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate.“ Viele Gelehrt*innen sind sich einig: Wer in dieser Nacht spendet kann auf die Belohnung hoffe, als hätte er*sie 83 Jahre lang jeden Tag gespendet.

Quellen

J. Millard Burr and Robert O. Collins (2006). Alms for Jihad: Charity and Terrorism in the Islamic World. Cambridge University Press. (S.137f.,216-219)

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