Murtadd

Arab.: „jemand, der sich abwendet“ (Pl. murtaddun)

Ein Murtadd ist jemand, der sich vom Glauben an den Islam lossagt: ein Abtrünniger vom Glauben (= Apostat). Das kann entweder wörtlich geschehen oder indem die Person gegen die Prinzipien des Islams handelt.

Murtadd im Koran

Laut Koran, Sure 16, 108-9, erwartet ein murtadd schwere Strafen (adhab) im Jenseits. Mildernde Umstände kann er erwarten, wenn die Person unter Zwang handeln musste und sie trotzdem gläubig blieb.

Aber auch im Diesseits kann ein murtadd schon eine Verurteilung erwarten. So leitet der Gründer der schafiitischen Rechtsschule Muhammad ash-Shafi’i (gest. 820) aus Sure 2, 214 die Begründung für die Todesstrafe für Abtrünnige vom Glauben ab. Zahlreiche Hadithe der wichtigsten sunnitischen Sammlungen, wie dem Sahih von al-Bukhari und von Muslim, unterstützen ebenfalls die Todesstrafe. Unterschiedlich sind die Meinungen, ob einem Apostaten eine Chance zur Reue und Umkehr gegeben werden sollte.

Weitere schwerwiegende Folgen können die Enteignung des Besitzes sein und die zwangsweise Auflösung der Ehe. Er verliert seine Ansprüche als Rechtsperson in allen Bereichen, was z.B. Verträge oder das Testament und Erbschaften betrifft.

Der Fall Nasr Hamid Abu Zaid

Schlagzeilen hat die Verurteilung des ägyptischen Koran- und Literaturwissenschaftlers Nasr Hamid Abu Zaid (gest. 2010) gemacht, der letztlich wegen seiner kritischen Haltung gegenüber theologischen Interpreten des Korans von einem ägyptischen Gericht 1995 zum Apostaten erklärt wurde. Seine Ehe wurde zwangsgeschieden. Abu Zaid musste mit seiner Frau ins Exil nach Europa fliehen. Die Scheidung geschah gegen ihren Willen.

Seitdem lehrte Abu Zaid als Gastprofessor an der Universität Leiden Islamwissenschaft, war Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin und übernahm im Jahr 2004 den Ibn-Rushd-Lehrstuhl für Humanismus und Islam an der Universität Utrecht. Im Jahre 2005 wurde er in Berlin mit dem Ibn-Rushd-Preis für Freies Denken ausgezeichnet. Abu Zaid gilt als bedeutender Vordenker eines neuen hermeneutischen Verständnisses des Korans.

Murtadd im Überblick

  • Ein „murtadd“ ist jemand, der sich vom Islam abwendet, ein Abtrünniger vom Glauben, Apostat.
  • Der Koran sieht schwere Strafen im Jenseits vor, wenn die Person es ohne Zwang getan hat.
  • Die sunnitischen Rechtsschulen sehen in der Regel die Todesstrafe, Scheidung und weitestgehende Entrechtung vor.
  • 1995 musste der ägyptischen Wissenschaftler Abu Zaid mit seiner ehemaligen Frau nach Europa fliehen, als ein ägyptisches Gericht ihn zum Apostaten erklärte.

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