Welche Sportbekleidung gibt es für muslimische Frauen?

Muslimische Sportlerinnen haben bereits ganz unterschiedliche Antworten auf diese Frage gefunden. Einige treten bei internationalen Wettkämpfen in der allgemein üblichen Sportkleidung an. Andere ziehen sich so an, wie es ihrer muslimischen Überzeugung oder den moralischen Maßstäben ihres Landes entspricht.

Die Antworten islamischer Gelehrt*innen auf diese Frage unterscheiden sich sehr. Sie sind auch durch die Kultur und die Traditionen der jeweiligen Länder stark geprägt. Zentrale Themen der Diskussion sind die Bekleidung, das Kopftuch und die Bedingungen der Veranstaltung.

Die `aura der Muslimin

Zentral für muslimische Bekleidungsvorschriften ist der arabische Begriff `aura, der im Sinne von Genitalien bzw. Scham verwendet wird, allgemein geht ums die Körperregionen, die im Öffentlichen stets bedeckt sein sollten. Bereits über die Deutung, was alles als `aura zur gehört, sind sich islamische Gelehrte uneinig. Entsprechend weichen ihre Urteile über eine angemessene Kleidung voneinander ab.

Hadith-Sammlungen handeln oft von der `aura des Mannes. Grundsätzlich gilt für Männer und für Frauen, dass sie sich anständig kleiden sollen. Als Grundlage dient dafür häufig Sure an-Nur (das Licht) in der es im Vers 31 heißt:

„Und sag zu den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham hüten, ihren Schmuck nicht offen zeigen, außer dem, was (sonst) sichtbar ist. Und sie sollen ihre Kopftücher auf den Brustschlitz ihres Gewandes schlagen und ihren Schmuck nicht offen zeigen (…)“.

Der vorherige Vers 30 richtet sich zunächst an die Männer:

„Sag zu den gläubigen Männern, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham hüten. Das ist lauterer für sie. Gewiß, Allah ist Kundig dessen, was sie machen.“

Man kann jedoch schnell feststellen, dass überwiegend die `aura der Frau diskutiert wird, da sie andere Körperteile betrifft als beim Mann. So stellen muslimische Gelehrt*innen folglich auch umfassendere Bekleidungsvorschriften für Frauen auf als für Männer auf. Ihre Urteile sind dabei alles andere als einheitlich: Einige fordern die Bedeckung des gesamten Körpers mit Ausnahme von Händen, Füßen und Gesicht. Noch weitreichender interpretieren wahhabitische Gelehrte oder Salafisten die `aura. Für sie gehören auch die Hände, Füße und sogar die Stimme der Frau zur `aura, die bedeckt bleiben muss. Häufig verbieten sie zudem pauschal Frauensport, so dass die Fragen und Probleme muslimischer Sportlerinnen für sie kein Thema sind. [2]

Hijood und Burkini

In Deutschland gibt es eine Debatte über den gleichgeschlechtlichen Schwimmunterricht in Schulen. Sie betrifft die strittige Frage um die Geschlechtertrennung und eine angemessene Bedeckung des Körpers. Eine elegante Lösung sind hier Hijood und Burkini. Außerhalb der Schule sind getrennte Schwimmtage für Frauen und Männer sowie spezielle Sportclubs für Frauen weitere Optionen, die ohnehin bereits existieren und seit langem gängige Praxis sind. Hinzu kommen selbstorganisierte Angebote, die auch gerne von nichtmuslimischen Frauen angenommen werden.

Hingegen gibt es auch Musliminnen, die eine umfangreiche Bedeckung und das Kopftuch beim Sport nicht für nötig halten. Nada Arakji, die erste Schwimmerin aus Qatar, die bei den olympischen Spielen 2012 teilnahm, schwamm im „üblichen“ Schwimmanzug.

Eine ganz persönliche Antwort hat z.B. die ägyptische Schwimmerin Rania Elwani gefunden. Sie nahm an den Olympischen Spielen von 1992 bis 2000 teil. In ihrer aktiven Zeit trug sie einen international üblichen Schwimmanzug. Als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sie nun jedoch Kopftuch. [3] [4]

Das Kopftuch im Sport

Für die große Mehrheit der muslimischen Gelehrt*innen leiten sich die Kleidungsvorschriften und die Geschlechtertrennung aus Koran und Sunna. Ob eine Muslimin ein Kopftuch tragen muss, darüber sind sich Strömungen jedoch nicht ganz einig. In vielen Ländern gehört das Tragen eines Kopftuches zusätzlich zur Kultur, auch in nicht-muslimisch geprägte Gesellschaften.

Was Deutschland anbelangt hat der damalige Bundespräsident Johannes Rau schon 2004 auf das Recht auf ungestörte Religionsausübung hingewiesen.[5] [6] Eine Tatsache die bis heute bei vielen Menschen im Land nicht angekommen ist, obwohl er auch explizit das Kopftuch in die Aussage eingeschlossen hat. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass selbst Lösungen wie der Burkini in einigen Ländern Europas gesetzlich verboten sind, Frauen also aufgrund ihrer Kleidung an Stränden von Polizisten abgeführt werden – ein Paradox, da es eigentlich um Teilhabe gehen soll, diese dann aber verwehrt wird.

Kopftuch tragende Sportlerinnen sind stark von den unterschiedlichen Deutungen des Kopftuchs betroffen. So schwanken die Entscheidungen der Sportverbände und internationalen Organisationen zwischen Verbot und Zulassung. Musliminnen können an Veranstaltungen nicht teilnehmen oder müssen sogar auf andere Sportarten ausweichen. Hier einige Beispiele:

Der Weltfußballverband FIFA hat im Jahr 2007 ein Kopftuchverbot erlassen, das er im Jahr 2010 wieder aufgehoben hat. Der Weltbasketballverband FIBA hat auf Intervention der Präsidenten des asiatischen Olympischen Rates, Schaykh as-Sabah, im Jahr 2015 die Regeln gegen Kopftuchträgerinnen geändert. Der Deutsche Basketballbund DBB bleibt dagegen bei seinem Ausschluss von Kopftuchträgerinnen. Der DBB sieht im Kopftuch eine Gefahrenquelle für Verletzungen, obwohl spezielle Sportkopftücher durchaus eine adäquate Lösung sind. [7]

Flexibel zeigt sich mittlerweile die olympische Bewegung. Zahlreiche Sportverbände lassen nun stärker verhüllende Kleidung oder das Kopftuch zu. Das eröffnet auch Musliminnen, die mit Kopftuch oder in verhüllender Kleidung antreten möchten, neue Sportarten. So hat der Beachvolleyball-Verband seine Regeln gelockert. Sportlerinnen müssen nicht mehr im Bikini antreten. An den Olympischen Spielen in Rio konnte dadurch ein ägyptisches Beachvolleyball-Duo teilnehmen. Die beiden Sportlerinnen sind zudem ein Beispiel für unterschiedliche persönliche Überzeugungen: Eine Sportlerin trug Kopftuch, während ihre Partnerin ohne Kopftuch antrat. [8]

Der Sport-Hijab

Muslimische Frauen sind nicht nur sehr einfallsreich was die Vielfalt der Kopftücher generell anbelangt – es gibt unzählige Arten und Weisen sie zu binden, mit Nadeln oder auch ohne, mit Knoten und vielen weiteren Formen und Stilen. Sondern sie haben vor einigen Jahren auch damit begonnen, Firmen und Modelabels zugründen und nicht auf große Sportartikelhersteller zu warten. Neugegründete Labels, wie z.B. Oullum oder Adlina Anis bieten auch spezielle Sportbekleidung für muslimische Frauen an und entwickeln ihr Angebot immer weiter. Ein Angebot was auch von nichtmuslimischen Frauen genutzt wird.

Ein Trend, den mittlerweile auch führende Sportartikelhersteller aufgreifen. Im Jahr 2017 veröffentlichte Nike das Sportkopftuch „Nike Pro Hijab“ und hat seitdem den großen Markt muslimischer Sportlerinnen erschlossen, der vorher lange Zeit unwichtig schien und gänzlich ignoriert wurde. Das „Pro Hijab“ wurde seither zum Kassenschlager und Nike zeigt mittlerweile Sportlerinnen wie Ibtihaj Muhammad oder die Berliner Profiboxerin Zeina Nassar als Aushängeschilder der Marke.

Videos zum Thema: Welche Kleidung darf eine Muslimin beim Sport tragen?

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Quellen

[1] Dahl. Zum Verständnis von Körper, Bewegung und Sport in Christentum, Islam und Buddhismus. Berlin 2008. S. 221ff.

[2] Damir-Geilsdorf, Menzfeld, Pelican (Hg.), Islam und Sport, 2014, S. 10-11

[3] Damir-Geilsdorf, Menzfeld, Pelican (Hg.), Islam und Sport, 2014, S. 14, 15, 21. Quellen: Dahl: Zum Verständnis von Körper, Bewegung und Sport in Christentum, Islam und Buddhismus. Berlin 2008, S. 224

[4] https://www.cmu.edu/homepage/society/2012/summer/olympic-ties.shtml

[5] Damir-Geilsdorf, Menzfeld, Pelican (Hg.), Islam und Sport, 2014, S. 17

[6] https://www.deutsche-islam-konferenz.de/DIK/DE/Magazin/SchwerpunktKopftuch/Koran/koran-node.html

[7] Damir-Geilsdorf, Menzfeld, Pelican (Hg.), Islam und Sport, 2014, S. 7, 15 ff.

[8] https://www.faz.net/aktuell/sport/sportlerinnen-mit-kopftuch-und-bikini-bei-olympia-2016-in-rio-14381165.html

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